In einer Pressemitteilung vom 18. August hatte SPD-Landtagsabgeordnete Karin Hartmann die Hessische Landesregierung angriffen und ihr u.a. Versäumnisse beim Schulstart, der Digitalisierung und der Krisenbewältigung vorgeworfen. In einem Interview im Hessischen Landtag nahm CDU-Landtagsabgeordnete Birgit Heitland zu den Vorwürfen Stellung:

Frau Heitland, Frau Hartmann von der SPD wirft der Landesregierung in einer Pressemitteilung vor, den Schulstart nicht gut vorbereitet zu haben. Was sagen Sie dazu?

Heitland: „Das Hessische Kultusministerium hat den Schulen bereits Mitte der Sommerferien einen Rahmen-Hygieneplan zukommen lassen, damit diese so früh wie möglich mit der Vorbereitung für den Schulstart beginnen können. Der Plan wurde entlang wissenschaftlicher Erkenntnisse und der Entwicklung des Infektionsgeschehens durchgehend evaluiert und angepasst. So wurde beispielsweise auch die Maskenpflicht aufgenommen.“

Was im Hygieneplan gefordert wird, muss vor Ort ja auch umgesetzt werden, gerade was Schutzausrüstung angeht. Sind die Schulen denn hier gut versorgt?

Heitland: „Wir haben in Hessen eine Beschaffungsstelle eingerichtet und die Zentrallager prall gefüllt. Zum Schuljahresstart standen insgesamt 1.000.000 Mund-Nase-Masken, 1.000.000 FFP2-Masken, 17.000 Liter Desinfektionsmittel, 71.000 Schutzhandschuhe, 5.500 Vlieskittel und 11.500 Gesichtsschutzschilde zur Verfügung. Außerdem können die Schulen bei ihrem zuständigen Schulamt jederzeit weitere Masken und Materialien nachbestellen, die wir dann kontinuierlich nachliefern. Wir sind in Hessen also sehr gut aufgestellt.“

Frau Hartmann und die SPD-Landtagsfraktion fordern eine Reduzierung der Klassengrößen und konkrete landesweite Hygienevorgaben. Was sagen Sie zu diesen Forderungen?

Heitland: „Man kann immer viel fordern, aber man muss auch mal bei den Tatsachen bleiben. Fakt ist, dass Lehrkräfte teilweise der Risikogruppe angehören, sodass einige in der Pandemie ausfallen – z.B. bei Schwangerschaften. Wir haben in Hessen zwar so viele Lehrerstellen geschaffen wie noch nie und die Zahl an Studienplätzen erhöht, aber in der gegenwärtigen Situation eine Verkleinerung der Klassen zu fordern, ist unlogisch. Es ist personell nicht leistbar.

Und auch landeseinheitliche Hygienevorgaben sind nicht zielführend. Unsere Schullandschaft ist sehr vielseitig. Schulen haben teils ganz unterschiedliche Voraussetzungen, beispielsweise beim Schnitt der Räume oder der Grundfläche. Die Schulleitungen und Schulämter vor Ort wissen am allerbesten, was genau leistbar ist und was nicht. Wir geben deshalb einen wissenschaftlich fundierten Mindestrahmen an Hygienemaßnahmen vor und überlassen die weitere Ausgestaltung jenen, die sich vor Ort am besten auskennen.“

Die SPD plädiert für einen Wechsel von Fern- und Präsenzunterricht. Ist das nicht auch im Sinne der CDU?

Heitland: „Natürlich ist es das. Deswegen machen wir das ja schon. Schüler, die in einem Haushalt mit Risikogruppenangehörigen leben, können sich vom Präsenzunterricht befreien lassen. Sie bekommen die Unterrichtsmaterialien dann zum Beispiel digital. Für alle anderen gibt es den Präsenzunterricht. Es ist unsere Aufgabe, überall dort, wo es aus virologischer Sicht tragbar ist, für normalen Unterricht zu sorgen. Wenn sich das Infektionsgeschehen ändert, werden wir den Präsenzunterricht wieder reduzieren. Die SPD-Forderung ist also quasi ein alter Hut.“

Digital ist ein gutes Stichwort. Karin Hartmann sagt, die Landesregierung habe die Digitalisierung verschlafen. Wie sehen Sie das?

Heitland: „Die gleichen Vorwürfe hat Frau Hartmann erst vor Kurzem gestreut. Und schon damals habe ich gesagt: Das ist Unsinn. Wir haben in Hessen eine Quote von fast 100 Prozent bei der Breitbandanbindung. Mit dem Schulportal haben wir außerdem eine eigene hessische digitale Unterrichtsplattform geschaffen, die landesweit einheitliche Qualitätsstandards setzt. Gemeinsam mit der Bundesregierung haben wir zudem ein 50 Mio. Euro-Programm aufgezogen, um gerade Schülern aus ökonomisch schwächeren Haushalten Zugang zu Multimediageräten zu ermöglichen. Parallel laufen zahlreiche Fortbildungsangebote für die Lehrkräfte für den Umgang mit der neuen Hard- und Software.“

Hartmann sieht auch Probleme im Sozialwesen. Sie fordert ein funktionierendes Gesundheitssystem. Sehen Sie hier auch Handlungsbedarf?

Heitland: „Natürlich kann man immer und überall besser werden. Wer sich auf Lorbeeren ausruht, behindert den Fortschritt. Das gilt auch für die Gesundheitspolitik. Die Kritik finde ich aber überzogen. Deutschlands Gesundheitssystem und die Pandemiebewältigung werden international gelobt und bewundert. Wir haben die Pandemie bisher mit sehr geringen Fall- und Todeszahlen gemeistert und haben einen Spitzenplatz bei der Anzahl an Intensivbetten. Das ist doch der beste Beweis, dass unser Gesundheitssystem vorbildlich und Deutschland gut vorbereitet ist.“

Wo wir gerade bei der Pandemiebewältigung sind – diese kostet den Steuerzahler viel Geld. Die SPD kritisiert das von CDU und Grünen beschlossene Sondervermögen. Wie stehen Sie dazu?

Heitland: „Es ist doch so: Zu Beginn der Krise haben wir einen Nachtragshaushalt von 8,5 Mrd. Euro eingebracht, um Bürgern, Unternehmen und Kommunen zu helfen. Das war ein langwieriger Prozess, da jeder Beschluss in Präsenzsitzungen durch das Parlament musste und für das Aufheben der Schuldenbremse eine Zweidrittelmehrheit notwendig war. Die Pandemie wartet aber nicht. Existenzen gehen in Echtzeit zu Grunde. Das Sondervermögen von 12 Mrd. Euro ist kein Blankoscheck, sondern eine Kreditermächtigung. Das bedeutet, der Haushaltsausschuss des Landtags, dem alle Fraktionen angehören, kann mit einfacher Mehrheit beschließen, Kredite aufzunehmen, um kurzfristig Hilfe für die Menschen bereitzustellen, ohne in einem wochenlangen Prozess Haushaltsberatungen durchzuführen. Mir ist nicht klar, warum die SPD dringend notwendige Hilfe für Bürger und Wirtschaft verzögern will – vermutlich haben sie Angst, dass die positive Wirkung CDU und Grünen Aufschwung im Kommunalwahlkampf beschert. Taktische Überlegungen sind aber bei einer globalen Pandemie meiner Ansicht nach fehl am Platz. Es geht darum, Existenzen und Leben zu retten, nicht um Wählerstimmen.“

Letzte Frage: Karin Hartmann wirft der Landesregierung vor, Solo-Selbstständige und Künstler im Regen stehen zu lassen. Hat Hartmann recht oder gibt es hier Hilfsangebote des Landes?

Heitland: „Frau Hartmann ist hier ganz eindeutig falsch informiert. Wir haben in Hessen die Corona-Soforthilfe des Bundes aufgestockt und insgesamt 952 Millionen Euro an Solo-Selbstständige sowie kleine und mittlere Unternehmen als nicht rückzahlbaren Zuschuss überwiesen. Hinzukommt das Kulturpaket mit einem Volumen von 50 Mio. Euro an Fördermitteln und Stipendien, das explizit für Kulturschaffende, Veranstalter und Kunstbetriebe aufgesetzt wurde. Kulturvereine konnten zudem Fördermittel aus der Vereinsförderung abrufen. Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe an Liquiditäts- und Überbrückungshilfen sowie Kreditangeboten. Die Krisenstrategie der Landesregierung hat sich bewährt.“

Vielen Dank für das Interview Frau Heitland. Sie haben das letzte Wort.

Heitland: „Ich möchte die Gelegenheit nutzen und mich bei allen Menschen bedanken, die in dieser Krise gezeigt haben, was gesellschaftlicher Zusammenhalt und Durchhaltevermögen bedeutet. Von den Familien, über Menschen im Bildungs- und Erziehungsbereich, in der Logistik, in Gesundheit und Pflege, im Kultursektor, in der Gastronomie, in der Verwaltung oder im Einzelhandel – wenn wir an einem Strang ziehen, meistern wir diese Pandemie. Deswegen gilt weiterhin: Abstand halten, Hygieneregeln beachten, Maske tragen.“

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